Wie man mit Hanf ein Start-up aufbaut
Lucas Fuhrmann, Montgomery Wagner und Julian Mushövel haben mit ihrer veganen Leder-Alternative LOVR die Hürden eines hochinnovativen Start-ups bewältigt – dank gezielter Suche nach Förderungen und Unterstützern.
Eine innovative Idee, drei begeisterte Gründer mit vollem Einsatz – aber kein Geld. So wie Lucas Fuhrmann, Montgomery Wagner und Julian Mushövel geht es vielen jungen Start-ups. Mit einer veganen Leder-Alternative, gewonnen aus Abfällen aus deutschem Hanfanbau, wollten die drei Uni-Absolventen durchstarten, mussten aber zunächst die Finanzierung ihres ehrgeizigen Plans sicherstellen. „Geschafft haben wir es letztlich durch öffentliche Förderungen: Dank des EXIST-Gründerstipendiums des Bundes haben wir unsere Jobs gekündigt und können uns jetzt in Vollzeit in den Aufbau unseres Unternehmens reinhängen – das hat unser Projekt definitiv entscheidend vorangebracht“, sagt Lucas Fuhrmann. „Vor allem für innovative Start-ups, die Risikokapital benötigen, sind solche Förderprogramme in Deutschland und Europa der richtige Weg. Anders als in den USA, wo deutlich mehr private Risikokapitalgeber auf der Suche nach jungen Unternehmen sind, ist bei uns diese öffentliche Unterstützung elementar.“
Schon während seines Studiums beschäftigte sich Lucas Fuhrmann intensiv mit alternativen Agrarstoffen für die Industrie: Er forschte an Bananenfasern als Ersatz für die wasser- und pestizidintensive Baumwolle, auch wenn er eigentlich als Student der Philosophie und Psychologie gar keine naturwissenschaftliche Fachrichtung eingeschlagen hatte. „Das Ganze war mehr so ein Herzensthema: Zusammen mit Montgomery und Julian, die ich schon seit unserer Schulzeit kenne, habe ich in diesem Bereich etwas bewegen wollen“, erzählt Lucas Fuhrmann. In ihren unterschiedlichen Charakteren und Schwerpunkten – Montgomery Wagner hat Politikwissenschaft studiert, Julian Mushövel Maschinenbau – sahen die Drei von Anfang an einen Vorteil. „So abgedroschen das klingen mag, aber beim Gründen ist Vielfalt tatsächlich unschlagbar. Jeder von uns kann sich auf seine Weise einbringen, so dass wir uns perfekt ergänzen. Gleichzeitig motivieren wir uns gegenseitig, wenn es mal nicht so rund läuft. Damit haben wir es wohl deutlich leichter als Einzelkämpfer, die ihr Unternehmen ohne andere Mitstreiter aufbauen“, sagt Montgomery Wagner.
Doch auch als Team mussten die drei Gründer der Revoltech GmbH einige Hürden überwinden. Denn so vielversprechend ihre Idee einer veganen Leder-Alternative unter dem Namen LOVR auch ist – um daraus ein funktionierendes Unternehmen zu machen, ist deutlich mehr notwendig. „Wir mussten zunächst unser serienreifes Produkt entwickeln, was naturgemäß nicht leicht ist. Schließlich ist es gerade unser Alleinstellungsmerkmal, dass wir komplett pflanzlich arbeiten, ohne Erdöl auskommen und CO2-neutral produzieren können – aber das bedeutet gleichzeitig, dass wir wirklich alles neu erfinden müssen“, erklärt Julian Mushövel.
Über die TU Darmstadt, an der er studiert hatte, konnten die drei Gründer dabei Unterstützung auftun: Prof. Dr.-Ing. Samuel Schabel, Leiter des Fachgebiets Papierfabrikation und Mechanische Verfahrenstechnik, wurde ihr Mentor. „Die Unterstützung der TU und anderer Universitäten ist für uns ganz entscheidend: Hier erhalten wir unkompliziert fachliche Hilfestellungen, können die Räumlichkeiten und Gerätschaften nutzen und finden bestens ausgebildete wissenschaftliche Mitarbeiter, die uns fachlich optimal ergänzen. Derart kurze Wege und eine solch offene Haltung gegenüber innovativen Ansätzen findet man wohl nirgendwo anders – das können sich Gründer also gut zunutze machen“, sagt Lucas Fuhrmann.
Auf die Begleitung von Start-ups sind viele Hochschulen inzwischen vorbereitet: An der TU Darmstadt erhielten die drei Jungunternehmer Unterstützung vom hauseigenen Innovations- und Gründungszentrum HIGHEST. Dank enger Netzwerke in die Rhein-Main-Region und nach ganz Hessen ergaben sich dadurch immer wieder neue Kontakte. „Für Start-ups ist es wichtig, wahrgenommen zu werden. Deshalb haben wir am IMPACT-Festival, verschiedenen Wettbewerben und dem Hessischen Gründerpreis teilgenommen – und schon vor dessen Finalrunde sind dank der Berichterstattung einige Firmen auf uns zugekommen, so dass sich viele neue Kontakte ergeben haben“, freut sich Montgomery Wagner. nehmer vereint.“
Ein völlig neues Feld mussten sich die drei Gründer bei der Finanzierung ihrer Idee erschließen. Denn auch wenn das eng an ihre Kooperation mit der TU gekoppelte EXIST-Stipendium die monetären Anfangssorgen gelöst hat, steht nun die Marktreife an. „Wir müssen jetzt unsere Produktion hochskalieren und konkurrenzfähig werden, denn unsere internationalen Mitbewerber sind unerbittlich und haben oft viel größere Ressourcen. Da geht es dann plötzlich um Patentanmeldungen, juristische Fallstricke und den Angriff nach vorne, also möglichst schnell groß zu werden und auf den Markt zu kommen. Das sind ehrlich gesagt alles Bereiche, bei denen wir uns am Anfang kaum auskannten und erstmal kräftig dazulernen mussten“, erklärt Julian Mushövel.
Mit ihrem über die Jahre aufgebauten Netzwerk an Experten – von Beratern und Coaches über Vertriebler und Textilhersteller bis hin zu Notaren und Anwälten – holten sich die Jungunternehmer deshalb externe Expertise hinzu. „Wir machen zwar gerne alles selbst, aber in einzelnen Fachgebieten muss man sich Unterstützung organisieren. Das gilt bei uns auch im Bereich Finanzierung, wo wir mit Hessen Kapital, der BM H Beteiligungs-Managementgesellschaft Hessen und der IHK in unserer Region optimale Ansprechpartner gefunden haben“, sagt Montgomery Wagner.
Über die Jahre haben die drei Gründer auf diese Weise viel dazugelernt – weshalb sie heute durchaus einzelne Schritte anders machen würden. „Im Nachhinein hätten wir früher an die Öffentlichkeit gehen sollen. Wir haben lange damit gezögert und im stillen Kämmerchen vor uns hingearbeitet: Wir wollten erst einen perfekten Web-Auftritt haben und uns danach um die Kommunikation auf Social-Media und anderen Kanälen kümmern. Aber das hätte es gar nicht unbedingt gebraucht. Wie gesagt: Nur wenn man auf sich aufmerksam macht, kommen wertvolle Kontakte zustande. Und hier gilt: Je früher, desto besser“, empfiehlt Montgomery Wagner angehenden Gründern.
Viel Unterstützung haben die drei Jungunternehmer von Anfang an in der Start-up-Szene erhalten. Neben dem Austausch mit anderen Startern ist dabei vor allem der unkomplizierte Kontakt zu älteren Mentoren wertvoll, die gerne ihre Erfahrungen an die nächste Generation weitergeben. „Wir haben auf unserem bisherigen Weg ganz viele herzliche und kompetente Menschen kennengelernt, die uns in den unterschiedlichsten Bereichen weitergeholfen haben. Das ist vielleicht der wichtigste Tipp für angehende Gründer: Offen zu sein und sich mit anderen auszutauschen – denn am Ende geht es doch um mehr als nur um das reine Geschäft“, sagt Lucas Fuhrmann. „Es geht um eine Lebenseinstellung, die alle Gründer und Unternehmer vereint.“
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